Über das Projekt
Das Projekt „Grundbedürfnisse und intergenerationelle Klimagerechtigkeit“ unter der Leitung von Prof. Dr. Lukas Meyer läuft vom 1. Oktober 2020 bis 30. September 2024 und wird vom Fonds für wissenschaftliche Forschung (FWF) gefördert. Das Projekt soll dazu beitragen, die klimabezogenen Generationengerechtigkeitspflichten der Staaten aus der Perspektive eines Prinzips des bedarfsgerechten Suffizienarismus zu bewerten. Zunächst stellten wir acht Forschungsfragen, die während der vierjährigen Projektlaufzeit (2020–2024) untersucht werden sollten, wobei sich die ersten vier Forschungsfragen auf die Entwicklung einer praktikablen Konzeption eines bedarfsorientierten Sugentarismus konzentrierten und der zweite Teil des Projekts ( Forschungsfragen 4-8) mit Schwerpunkt auf der Frage, wie dieses Prinzip angewendet werden könnte, um gerechte Transformationspfade und Pflichten der gegenwärtig lebenden und zukünftigen Generationen zu bestimmen.
Abstract
Der Klimawandel ist durch eine zeitlich ungleiche Verteilung von Nutzen und Kosten gekennzeichnet. Während die meisten Vorteile emissionserzeugender Aktivitäten von den heute lebenden Menschen ausgehen, werden die meisten Schäden, die diese Aktivitäten verursachen, erst in (ferner) Zukunft eintreten. Es gibt daher gute Gründe, den Klimawandel als eine Frage der Generationengerechtigkeit zu betrachten. Die drängendste Frage der intergenerationellen Klimagerechtigkeit betrifft das Verhältnis der gegenwärtigen Generation zu künftigen Generationen. Sind wir es künftigen Generationen schuldig, zusätzliche Maßnahmen gegen den Klimawandel und seine schädlichen Folgen zu ergreifen? Und wenn ja, in welchem Umfang und auf welche Weise?
Wissenschaftler haben diese Frage aus der Perspektive verschiedener Prinzipien der Generationengerechtigkeit betrachtet. Es gibt jedoch ein plausibles Prinzip, das bisher weitgehend vernachlässigt wurde. Nach diesem Prinzip soll die heutige Generation künftigen Generationen ermöglichen, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen – zum Beispiel ihren Bedarf an Wasser, Nahrung und Gesundheit. Ziel unseres Projekts ist es, einen Beitrag zur Bewertung der klimabezogenen Generationengerechtigkeitspflichten der Staaten aus der Perspektive dieses besonderen Prinzips zu leisten. Zunächst entwickeln wir eine klare, plausible und praktikable Version des Prinzips (die Definition des Konzepts der Grundbedürfnisse, die Bestimmung der tatsächlichen Grundbedürfnisse und Grundbedürfnisbefriediger gegenwärtiger und künftiger Generationen sowie die Untersuchung der gesellschaftlichen Abwertung künftiger Grundbedürfnisse und der moralische Implikationen von Knappheit). Und zweitens untersuchen wir, welche wissenschaftlichen Modelle und Studien notwendig wären, damit dieses Prinzip konkrete und realistische ethische Leitlinien im Hinblick auf den Klimawandel liefern kann (dazu gehört es, Klimaschutzmaßnahmen zu identifizieren, die in naher Zukunft umgesetzt werden können, und zu untersuchen, wie das geht). Die Auswirkungen des „Business as Usual“ und dieser Maßnahmen auf die Fähigkeit künftiger Generationen, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, am besten modellieren und untersuchen, wie die empirischen Annahmen von Argumenten für Diskontierung und Knappheit beurteilt werden können.
Forschungsfragen
1. Wie definiert man Grundbedürfnisse?
2. Was sind tatsächliche Grundbedürfnisse gegenwärtiger und zukünftiger Gerechtigkeitsempfänger und was sind Befriediger dieser Bedürfnisse?
3. Unter welchen Umständen und in welchem Umfang ist es angemessen, die Grundbedürfnisse zukünftiger Menschen außer Acht zu lassen?
4. Wie sollen die Ansprüche heutiger und künftiger Generationen auf Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse unter Bedingungen der Knappheit ausbalanciert werden?
5. Welche Klimaschutzmaßnahmen sind machbar?
6. Mit welchen wissenschaftlichen Modellen lässt sich abschätzen, wie die Grundbedürfnisse künftiger Empfänger durch den Normalbetrieb beeinflusst werden?
7. Mit welchen klimaökonomischen Modellen lässt sich abschätzen, wie sich mögliche Klimaschutzmaßnahmen auf die Grundbedürfnisse zukünftiger Empfänger auswirken?
8. Welche Modelle und Studien wären erforderlich, um zu beurteilen, inwieweit, wenn überhaupt, die klimabezogenen Pflichten der heutigen Generation gegenüber künftigen Generationen durch Diskontierung oder Knappheit geschwächt werden könnten?
Forschungsergebnisse
Im Projekt wurde ein plausibles Konzept von Grundbedürfnissen entwickelt, das die Befriedigung von Grundbedürfnissen mit dem Erreichen eines Schwellenwerts für Autonomie/Autonomiefähigkeit verbindet. Meyer hat in früheren Arbeiten (siehe z. B. Meyer (1997), Meyer (2003), Meyer (2021)), Meyer (2022) Meyer und Pölzler (2022) und Pölzler (2021) die theoretischen Grundlagen (FF 1) für einen solchen Ansatz geliefert (siehe auch Meyer und Pinzani (2022)). Petz (2023a) diskutierte darüber hinaus ausführlich die Unterscheidung zwischen Grundbedürfnissen und Befähigungen ('capabilities') und klärte damit die konzeptionelle Abgrenzung der Grundbedürfnisse; und Pölzler und Hannikainen (2022) sowie Pölzler, Tomabechi und Hannikainen (in Überarbeitung) und Pölzler et al. (in Vorbereitung) untersuchten, wie gewöhnliche Menschen in ihrer Rolle als Sprecher:innen in verschiedenen Ländern das Konzept der Grundbedürfnisse verwenden und was ihrer Meinung nach die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen sind.
Petz (i.E.-a) entwickelte, aufbauend auf der obigen Konzeption, eine Liste von zehn Grundbedürfnissen und lieferte Kriterien, wie Grundbedürfnisschwellen für eine solche Konzeption definiert werden könnten (FF 2). In Petz (2023a) stellte er darüber hinaus fünf Schwellenkriterien vor, die Prinzipien der bedürfnisbasierten Suffizienzauffassung erfüllen müssten, um eine vernünftige Konzeption der Generationengerechtigkeit zu bieten (FF 2, 4). Meyer und Pölzler (2022) erörterten auch, wie eine Grundbedürfniswährung der Gerechtigkeit und ein Suffizienzmuster der Gerechtigkeit in einem intergenerationellen Kontext am besten zu interpretieren und zu verteidigen sind; und Pölzler (in Überarbeitung) befasste sich damit, wie wir empirische Daten über die öffentliche Meinung nutzen könnten, um Behauptungen über bedarfsorientierte Gerechtigkeit zu rechtfertigen.
Petz (2023b) verknüpfte das im Rahmen des Projekts entwickelte Konzept der Grundbedürfnisse mit dem Konzept der Resilienz. Er liefert Definitionen dazu, wie wir bedürfnisbasierte Resilienz sowohl für heute lebende als auch für zukünftige Generationen verstehen sollten. Er argumentiert, dass eine ernsthafte Berücksichtigung der generationenübergreifenden Resilienz das Konzept der Resilienz erweitern und zu schwierigen Abwägungen in Bezug auf Mitigation und Adaption führen würde (FF 4, 5).
Williges et al. (eingereicht) konzentrierten sich auf die konkrete Anwendung der im Projekt erarbeiteten Konzeptualisierung von Grundbedürfnissen und zeigt Verbindungen zur klimaökonomischen Modellierung auf (FF 6,7). Die Arbeit konzentriert sich auf den Aspekt der Grundbedürfnisversorgung, der am ehesten von einer solchen Modellierung aufgegriffen werden kann - und der für den Klimawandel am relevantesten ist - die Energienutzung. Anhand von geographisch expliziten Schätzungen des Energiebedarfs für die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Wohnen, Ernährung, Gesundheitsfürsorge und Verkehrsmittel zeigt die Arbeit, dass die derzeitigen Modellierungsansätze, die sich auf Energie konzentrieren, in der Lage sind, Grundbedürfnisse zu berücksichtigen. Umgekehrt zeigt sie auch, in welchem Maße die Grundbedürfnisse heutiger und künftiger Generationen aufgrund der zunehmend begrenzten Kohlenstoffbudgets, die zur Erreichung der Klimaziele erforderlich sind, gefährdet sind (FF 7, 8). Die Studie zeigt, dass bei durchführbaren Klimamaßnahmen, die zu einer tiefgreifenden Dekarbonisierung führen, das Risiko, die Grundbedürfnisse nicht zu befriedigen, zu Beginn des Jahrhunderts am größten ist, im Gegensatz zu einem späteren Zeitpunkt, wenn kohlenstofffreie Energiesysteme besser etabliert sein könnten. Was die Verknappung der zulässigen Emissionen aufgrund strenger Ziele angeht, so stellt die Forschung fest, dass der absolute Wert der Emissionen kein Problem darstellt, wohl aber deren Verteilung, um genug für alle zur Deckung der Grundbedürfnisse sicherzustellen.